Wo Fehler passieren
Ihre Kräfte ließen nach, Sabine K. fühlte
sich schlapp, war morgens schon
müde, die Gelenke schmerzten, mit
Verdacht auf Rheuma wurde sie im
September 2004 in eine Uni-Klinik
eingewiesen. Die Ärzte verordneten ihr
Medikamente, drei Tage später war sie
wieder draußen. Ihr Zustand verschlimmerte
sich jedoch dramatisch, sie
litt an wiederkehrenden Fieberschüben.
Im Dezember ein weiterer Aufenthalt
in einem nahe gelegenen Krankenhaus,
trotz ihrer schlechten Verfassung war
sie nach vier Tagen wieder zu
Hause. Anfang 2005 brach sie zusammen
und wurde erneut in die Uni-Klinik
eingeliefert. Diagnose: Multiorganversagen.
Sie konnte aber gerettet werden.
Doch schon bald liefen ihre Beine
blau an, die Amputation war unausweichlich.
Sie fiel ins Koma, aus dem
sie erst vier Wochen später erwachte.
Nach einer Reha kehrte sie als Rollstuhlfahrerin
nach Hause zurück, zu
ihren drei kleinen Kindern.
Anfang 2006 wurde sie erneut in die
Uni-Klinik eingeliefert: Nieren-Insuffizienz.
Da endlich, 16 Monate später,
wurde die richtige Diagnose gestellt.
Sabine K. leidet an Systemischem Lupus
Erythematodes (SLE), einer Autoimmunerkrankung,
bei der das eigene
Abwehrsystem die inneren Organe angreift.
Ein Fall für Juristen. Das Krankheitsbild
des Lupus ähnelt sehr dem von Rheuma.
Bei rechtzeitiger Diagnose ist SLE
jedoch gut behandelbar. Wäre der
schlimme Leidensweg der Sabine K.,
wie Fachärzte sagen, vermeidbar gewesen?
Diese Frage werden nun medizinische
Sachverständige und Juristen beantworten
müssen. Wenn Sabine K. als
Opfer eines Behandlungsfehlers anerkannt
wird, kann sie auf finanzielle
Entschädigung durch die Haftpflichtversicherung
des behandelnden Arztes
oder der Klinik pochen.
Sabine K. (Name und Fall anonymisiert,
d. Redaktion) ist ein Beispielfall
aus der Beratungspraxis der Alexandra-
Lang-Stiftung. Die Stiftung
kann sich aus Kapazitätsgründen nur
solchen Fällen widmen, die als gravierend
einzustufen sind. „Bagatellfälle
können wir nicht übernehmen,“ so Ilse Lang.
Kassen vermitteln den Erstkontakt.
Die gesetzlichen Krankenkassen stellen, sofern es Patient und Stiftung wünschen, den Erstkontakt her. Sie kennen die Patienten, bei denen ein Verdacht auf Behandlungsfehler vorliegt. Die AOK beispielsweise hat im Jahr 2000 flächendeckend ein Behandlungsfehlermanagement etabliert. Bis Ende 2004 hatten sich bundesweit bereits über 34.000 Versicherte mit Verdacht auf Behandlungsfehler an die Gesundheitskasse gewandt (zum Behandlungsfehlermanagement der AOK siehe unter www.aok.de und dort unter Gesundheitswissen/ Verbraucherschutz). Kann der Patient außergerichtlich seine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht regulieren, muss er gegebenenfalls weitere medizinische Gutachten einholen und selbst vor Gericht gehen. In besonders schwerwiegenden Fällen, bei denen das patientenorientierte Behandlungsfehlermanagement der Kassen erschöpft ist, setzt die Stiftung mit ihrer Unterstützungsarbeit ein. Wo Fehler passieren Um einen ersten Überblick über einen Fall zu erhalten, kann sie auf Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zurückgreifen, bestellt aber bei Bedarf weitere Gutachter und vermittelt ferner Anwälte, die sich im Arzthaftungsrecht auskennen. „Eine gute juristische Betreuung ist besonders wichtig, denn ist ein Anwalt im Arzthaftungsrecht nicht bewandert, erleben die Patienten nach dem medizinischen oft noch ein juristisches Desaster“, erklärt Richard Rickelmann, Vorstandsmitglied der Stiftung. „Wichtig ist uns auch, dass wir die Patienten bis zum rechtlichen Abschluss des Falls betreuen, wir sind keine Durchreichestation,“ erläutert Dr. Ulrike Zunker, Ärztin der Stiftung. Gemeinsam mit Richard Rickelmann betreut sie die Patienten bis Entschädigungszahlungen laufen oder ein Vergleich geschlossen wurde.
Fehlermanagement verbessern.
„Unsere Arbeit ist vorwiegend karitativ ausgerichtet. Doch parallel möchten wir auch politisch etwas bewegen,“ erklärt Klaus Kirschner, ehemaliger Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Gesundheit. Aus Altersgründen schied er Ende vergangenen Jahres aus dem Bundestag aus. Seit November 2005 arbeitet er im Vorstand der Stiftung mit. Für ihn steht fest, dass Ärzte, Ärztekammern und Kliniken in der Pflicht stehen, das Behandlungsfehlermanagement zu verbessern. So könnten beispielsweise durch sinnvollere Arbeitszeitenregelungen in den Krankenhäusern Fehler vermieden werden, die durch Übermüdung des Personals entstehen. „Deutschland hat hier erheblichen Nachholbedarf,“ so Kirschner. Weiterhin ist eine groß angelegte Dokumentation beispielhafter Behandlungsfehler geplant. „Zur Erstellung der Fallsammlung würden wir gerne den Sachverstand der Kassen nutzen und haben sie schon um ihre Mithilfe gebeten,“ so Kirschner. Ziel der Dokumentation ist es auch, Probleme bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aufzuzeigen, um den Gesetzgeber zu Verbesserungen des Arzthaftungsrechtes auf Geschädigtenseite und zu Korrekturen der Zivilprozessordnung zu motivieren. Kirschner: „Hier gibt es großen Handlungsbedarf.“ ?
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Die Alexandra-Lang-Stiftung
Die als gemeinnützig anerkannte Alexandra-Lang-Stiftung besteht seit Januar 2004. Ihr Zweck ist die Beratung und Unterstützung von Patienten, die Opfer von ärztlichen Behandlungsfehlern, Arzneimittel- und Medizinproduktschäden geworden sind. Die Unternehmerin Ilse Lang hat mit Hilfe ihres Privatkapitals die Stiftung ins Leben gerufen und nach ihrer Tochter Alexandra benannt, die im Jahr
2000 überraschend gestorben war.
Die Stiftung verzichtet bewusst auf eine öffentliche Darstellung im Internet, damit die Mitarbeiter nicht mit Patientenanfragen überflutet werden. Der Erstkontakt zu den Patienten erfolgt nur über die Krankenkassen. |